Frogware, die kriegsgebeutelte Firma aus der Ukraine, meldet sich mit einem neuen Spiel aus ihrer beliebten Sherlock Holmes Reihe zurück. Bei The Awakened handelt es sich jedoch nicht um einen vollwertigen neuen Teil, sondern um ein Remake des gleichnahmigen Lovecraft Crossovers aus dem Jahre 2006. "Remake" ist hier das Stichwort, denn bis auf die Grundgeschichte über mehrere Vermisstenfälle, welche den Meisterdetektiv auf die Spur eines unheimlichen Cthulhu Kults führt, handelt es sich um eine Neuinterpretation der Vorlage.
Grafisch wird dabei auf das Grundgerüst zurückgegriffen, welches die Entwickler im Vorgänger etabliert haben. Demnach baut The Awakened auf die Ereignisse aus Chapter One auf und erzählt die Geschichte des jungen Sherlock Holmes weiter. Der konsultierende Detektiv wohnt nach seinem Abenteuer in Cordona nun in seiner berühmten Wohnung der Baker Street 221b in London. Gemeinsam mit seinem neuen Mitbewohner, Dr. John H. Watson, macht sich Holmes langsam einen Namen und baut nebenbei eine tiefe Freundschaft zum Doktor auf.
Die Interaktion zwischen den beiden literarischen Helden ist eines der Highlights des Remakes. Mit den britischen Stimmen der beiden Figuren kommt richtiges Sherlock Holmes Feeling auf, da Watsons Gentleman Attitüde wunderbar im Zusammenspiel mit Sherlocks deduktiver Herangehensweise funktioniert. Es wird aber auch die tiefe Verbundenheit beider gut herausgestellt, da "Shelley" noch an seinen traumatischen Erlebnissen aus Chapter One zu knabbern hat und Watson seine Erlebnisse aus dem Afghanistankrieg noch nicht so richtig verarbeiten konnte.
Überhaupt kommt dem kriegserfahrenen Doktor verglichen mit den letzten Teilen eine größere Bedeutung zu. Sehr oft wird man in die Rolle John Watsons schlüpfen, um entweder Holmes Ermittlungsmethoden anzuwenden, oder in Zusammenarbeit mit Sherlock bestimmte Rätselpassagen zu bewältigen. Auf Gameplayseite ändert sich dadurch nicht viel, da beide Hauptfiguren sich gleich spielen. Nur die Dialoge laufen gemäß ihres Charakters ein wenig anders ab.
Wenn man den Vorgänger Chapter One ausgiebig gezockt hat, wird man eine gute Vorstellung vom allgemeinen Spielablauf im Nachfolger haben. Man führt Dialoge mit Zeugen oder Verdächtigen, hangelt sich von Hinweis zu Hinweis und kombiniert am Ende Beweise, um zu bestimmten Schlussfolgerungen zu kommen. Während neuere Elemente wie die spannende Rekonstruktion von Tatorten weiterhin präsent sind, wurden andere Ermittlungstechniken stärker zurückgefahren. Die Kombination von Hinweisen in den Archiven etwa kommt nur noch sehr selten vor und die Chemie Rätseleinlagen sind gar komplett gestrichen worden. Neu hinzugekommen ist lediglich ein Schlösserknacken Minispiel, das aber nicht allzu herausfordernd ist sowie auch nur in den ersten Kapiteln Verwendung findet.
Dieser Stillstand oder Rückgang im Gameplay hat einen Grund: Eine Open World wie sie Frogware mit Cordona in Chapter One so wunderbar als Kulisse zum Ermitteln aufgebaut hat, ist in der Remake Fortsetzung nicht mehr vorhanden. Stattdessen geht der neue Teil linearer vonstatten. So ist die düstere Lovecraft Handlung in 8 Kapitel unterteilt, die in sich geschlossene Abschnitte beherbergt. Zum Erkunden laden diese aber nicht unbedingt ein, da sie zum Einen klein ausfallen, und zum Anderen keine Nebenbeschäftigungen wie optionale Fälle anbieten. Es sei denn, man hat die etwas teurere Deluxe Edition mit dem "Das Flüstern der Träume" Pack erworben. Dann bekommt man zusätzliche Quests geboten, die innerhalb mancher Kapitel stattfinden, aber nicht wie noch in Chapter One im Journal klar und verständlich ausgewiesen sind. Durch das Fehlen der Open World verliert The Awakened sehr vom Spielgefühl eines Detektivs, der von einem Fall zum Nächsten huscht und in den Archiven des örtlichen Polizeireviers oder dem hiesigen Zeitungsarchiv Hinweise zusammenfügt. Dafür bekommt man mit London, einer Anstalt in der Schweiz oder den Sümpfen Louisianas abwechslungsreichere Schauplätze und generell eine kompaktere Geschichte geboten.
Denn obwohl sich die Handlung um den Cthulhu Mythos langsam aufbaut, entfaltet sie ab der Mitte den typischen lovecraft'schen Wahnsinn, der den Werken des Horrorautors anhaftet. Besonders anhand des logisch denkenden Meisterdetektivs wird dieser Aspekt fesselnd herausgestellt, da Holmes die außerweltlichen Begebenheiten nur schwer fassen kann. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn die Entwickler den langsam anheimfallenden Wahnsinn zu einem Gameplayelement gemacht hätten. Indem man beispielsweise Erscheinungen zu sehen bekommt, die nicht wirklich da sind, aber für eine konstante gruselige Stimmung sorgen. Trotz der Lovecraft Anleihen ist The Awakened nämlich kein richtiges Horrorspiel. Atmosphärisch dicht designt sind die verschiedenen Gebiete dennoch. Gerade der Abschnitt im düsteren Bayou Lousianas sticht da heraus.
Technisch haben die ukrainischen Entwickler ordentliche Arbeit geleistet. Außer zwei Abstürzen und manchen Pop-Ins sind mir keine groben Schnitzer untergekommen. Angesichts der prekären Situation, in welcher sich Frogware aufgrund des Krieges befindet, kann man das durchaus honorieren. Die Gesichtsanimationen könnten noch mit mehr Emotionen gefüllt werden, da sie immer noch etwas steif wirken. Ansonsten wird das Sherlock Holmes/Lovecraft Crossover von der Präsentation her wie gewohnt perfekt eingefangen.
Lohnt sich The Awakened für Kenner der Vorgänger? Für ein Remake ist Frogware ein gelungenes Remake gelungen, das liebevoll mit dem Material Arthur Conan Doyles sowie H. P. Lovecrafts umgeht. Darüber hinaus bekommt man eine angepasste Geschichte des Originals geboten, die wunderbar auf Chapter One aufbaut und diese um die aufkeimende Freundschaft zwischen Holmes sowie Watson erweitert. Was das Gameplay mit den verschiedenen Ermittlungstätigkeiten angeht, muss man jedoch deutliche Abstriche in Kauf nehmen. Wenn man sich eine konsequente Weiterentwicklung der Open-World aus Chapter One gewünscht hat, wird man eher enttäuscht werden. Bedenkt man aber, dass die Entwickler aufgrund der unsicheren Lage in ihrem Land bereits im Vorfeld angekündigt hatten, einen "kleineren" Teil als Nächstes im Holmes Universum anzugehen, ist ihnen immer noch ein gelungener Ableger gelungen.
Aus diesem Grund darf demnächst wieder auf ein Chapter Two hoffen. Dann vielleicht mit einem London als Open-World, das den inneren Detektiv wieder zum Leben erweckt.
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Frogware, the war-torn ukrainian company, is back with a new game in their popular Sherlock Holmes series. However, The Awakened is not a fully fledged new part, but a remake of the Lovecraft crossover of the same name from 2006. "Remake" is the keyword here, because apart from the basic story about several cases of missing people, which track down the master detective of a sinister Cthulhu cult, it is a reinterpretation of the template.
Graphically, the basic framework that the developers established in the predecessor is used. Accordingly, The Awakened builds on the events of Chapter One and continues the story of the young Sherlock Holmes. Following his adventure in Cordona, the consulting detective is now residing in his famous flat at 221b Baker Street in London. Along with his new roommate, Dr. John H. Watson, Holmes slowly makes a name for himself and develops a deep friendship with the doctor along the way.
The interaction between the two literary heroes is one of the highlights of the remake. With the British voices of the two characters, a real Sherlock Holmes feeling comes up, as Watson's gentlemanly attitude works wonderfully in combination with Sherlock's deductive approach. But the deep bond between the two is also well emphasized, since "Shelley" still has to nibble on his traumatic experiences from Chapter One and Watson hasn't really been able to process his experiences from the Afghan war yet.
In general, the war-experienced doctor is of greater importance compared to the last parts. Very often you will slip into the role of John Watson in order to either use Holmes' investigative methods or to cope with certain puzzle passages in cooperation with Sherlock. This doesn't change much on the gameplay side, since both main characters play the same way. Only the dialogues run a little differently according to their character.
If you have played the predecessor Chapter One extensively, you will have a good idea of the general gameplay in the successor. You conduct dialogues with witnesses or suspects, work your way from clue to clue and combine evidence at the end to come to certain conclusions. While newer elements such as thrilling crime scene reconstructions remain present, other investigative techniques have been scaled back more sharply. The combination of clues in the archives, for example, only occurs very rarely and the chemistry puzzle inserts have even been completely deleted. The only new addition is a lockpicking mini-game, which is not too challenging and only used in the first chapters.
There is a reason for this stagnation or decline in gameplay: An open world such as Frogware built so wonderfully with Cordona in Chapter One as a backdrop for investigation is no longer available in the remake sequel. Instead, the new part is more linear. The gloomy Lovecraft plot is divided into 8 chapters, which house self-contained sections. However, they do not necessarily invite you to explore them, since they are small on the one hand and do not offer any side activities such as optional cases on the other. Unless you bought the slightly more expensive Deluxe Edition with the "The Whispers of Dreams" pack. Then you get offered additional quests that take place within some chapters, but are not clearly and understandably shown in the journal like in Chapter One. The lack of an open world greatly robs The Awakened of the feel of a detective scurrying from one case to the next, piecing together clues in the archives of the local police station or the local newspaper archive. On the other hand, with London, an institution in Switzerland or the swamps of Louisiana, you get more varied locations and a generally more compact story.
Because although the plot of the Cthulhu myth slowly builds up, from the middle it unfolds the typical lovecraftian madness that is inherent in the works of the horror author. This aspect is highlighted in a particularly captivating way by the logically thinking master detective, since Holmes finds it difficult to comprehend the otherworldly events. It would have been desirable if the developers had made the slowly falling madness a gameplay element. For example, by seeing apparitions that aren't really there but create a constant spooky mood. Despite the Lovecraft leanings, The Awakened isn't really a horror game. The various areas are nevertheless atmospherically densely designed. The section in the gloomy Bayou of Louisiana in particular stands out.
Technically, the Ukrainian developers have done a decent job. Apart from two crashes and a few pop-ins, I didn't encounter any major blunders. In view of the precarious situation in which Frogware finds itself due to the war, this can definitely be honored. The facial animations could still be filled with more emotion as they still seem a bit stiff. Otherwise, the Sherlock Holmes/Lovecraft crossover is perfectly captured as usual in terms of presentation.
Is The Awakened worthwhile for connoisseurs of the predecessors? For a remake, Frogware has managed a successful job that lovingly deals with the material of Arthur Conan Doyle and H. P. Lovecraft. There's also an adapted story from the original that builds beautifully on Chapter One and expands on the budding friendship between Holmes and Watson. As far as the gameplay with the various investigative activities is concerned, however, you have to accept significant cuts. If you wanted a consistent further development of the open world from Chapter One, you will be disappointed. But if you consider that the developers had already announced in advance that they would tackle a "smaller" part in the Holmes universe due to the uncertain situation in their country, they still managed to create a good offshoot.
For this reason, we can hope for a Chapter Two again soon. Then maybe with a London as an open world that brings the inner detective back to life.

Reviewed on Apr 16, 2023


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